Moza
Helen Paul
Kapitel 01
Kapitel 02
Kapitel 03
Kapitel 04
Kapitel 05
Tansania
Moza Helen

Transkript

Ich bin Helen Paul, bin in England vor vielen, vielen Jahren geboren, ich bin schon in Rente. Unser Verein heißt Sisi Pamoja – Gemeinsam mit Pemba Island e.V.. Pemba ist eine Insel an der Küste Tansanias. Die Geschichte hinter unserer Partnerschaft ist Folgende: Wie gesagt, ich bin in England geboren, war Grundschullehrerin und Schulpsychologin. Irgendwann habe ich gedacht, ich möchte erst mal reisen – das war Mitte der 1980er Jahre – und dann bin ich ein ganzes Jahr um die Welt gereist. Als ich zurückkam war klar, dass ich nicht länger ein Tourist sein, sondern mit anderen Menschen leben und arbeiten wollte, sie besser kennenlernen und mich integrieren wollte. Ich habe mich bei „Voluntary Service Overseas“ (VSO), dem Entwicklungshilfeprogramm von Großbritannien beworben und bin in Sansibar gelandet. Ich war zwei Jahre dort und habe Lehrer:innen unterstützt und Entwicklungspsychologie unterrichtet. Lange bevor Tansania vom Tourismus überfallen wurde. Auf Sansibar gab es weder Touristen noch Plastik. Es war ganz anders 1984. Dann kam ich zurück, war aber bald wieder mit VSO unterwegs und zwar auf Pemba, wo ich Grundschullehrer:innen Fortbildung und Unterstützung angeboten habe. Dort habe ich meine Freundin Moza Said Samul kennengelernt. Dann war ich von 2012 bis 2014 nochmal auf Pemba, auch mit VSO. Anschließend haben meine Freunde gesagt, du bist jetzt so mit Tansania verbunden, wir sollten einen Verein gründen. Das haben wir vor 11 Jahren gemacht und gezielt ein paar Projekte angeboten. Meine Freundin Moza hat einen Vorschulkindergarten namens Star Nursery gegründet. Man muss wissen, dass die Vorschule für alle Kinder in Tansania Pflicht ist, aber die Bedingungen sind eher schlecht. Aber diese Star Nursery ist die beste Vorschule auf Pemba. Mittlerweile gehen Hundert Kinder in die Vorschule. Sie werden zwei Jahre lang in Mathe, Swahili und Arabisch unterrichtet und lernen lesen und schreiben. Wir haben ein Patenschaftsprojekt, sodass wir Kinder armer Eltern und Waisen aus der Gegend unterstützen. Für diese Kinder wird das Schulgeld von Paten in Deutschland bezahlt. Wir haben im Verein eine Frau die dafür zuständig ist, sie ist Rechtsanwältin. Wir haben dann auch zwei Schulen auf abgelegenen, vorgelagerten Inseln unterstützt. Denn sie bekommen keine Hilfe, haben keinen Strom und kein fließendes Wasser.

Wenn wir eine Fortbildung für Lehrer:innen machen, nehme ich immer das Geld in meinem BH mit. Das ist immer 1:1. Wir nehmen keine Gelder für den ganzen Bürokram, die Flüge bezahlen wir selber. Deswegen spenden die Menschen, weil sie wissen, dass wir ihnen kein Geld abnehmen, sondern das Geld vollständig in die Projekte fließt. Vielleicht nutzen wir 25 € für den Kauf von Papier, aber das ist nicht der Rede wert.

Moza habe ich bereits erwähnt, sie wohnt in Chake-Chake, das ist die Hauptstadt von Pemba. Mit einer weiteren Frau namens Zainab, die auch für Vorschulen zuständig war haben wir gemeinsam diese Workshops geplant und durchgeführt. Sie haben mit den Lehrer:innen gesprochen und gefragt, welche Bedürfnisse sie haben. Denn ich kann nicht sagen, was sie brauchen. Wir haben dann zu dritt die Workshops geleitet und jede hatte ihre eigene Rolle. Die Lehrer:innen haben auch eigenes Unterrichtsmaterial hergestellt. Wir haben storytelling gemacht und sie haben geübt, wie sie als Lehrer:innen Geschichten erzählen können und darüber gesprochen was sie dazu brauchen. Das macht richtig Spaß, wenn man die kleinen Kinder sieht, wie sie Englisch sprechen. Mit dem Sprachunterricht muss man ganz früh anfangen.

Wir haben immer ein, zwei Trainer dabei, die uns bei den Workshops helfen. Ein Workshop dauert immer von Montag bis Freitag, morgens bis nachmittags. Wir involvieren auch die Inspektor:innen und Berater:innen der Vorschulen, damit sie auch ganz eng dran sind. Und wenn unsere Trainer:innen die Workshops machen, sind die Inspektor:innen und Berater:innen auch mit dabei. Damit das gesamte Schulsystem eingebunden ist und die Initiative von ihnen ausgeht und nicht wir bestimmen was sinnvoll ist. Wir sind die Geldgeber:innen und das ist auch gut so, denn sie haben kein Geld für so etwas.

Gut ist auch, dass ich Swahili spreche und ich auf Pemba bekannt bin. Viele Menschen kennen mich seit vielen Jahren. Ich bin die „Bibi“, die Mama. Ich besitze auch ein Haus dort und Moza wohnt nebenan. Die Workshops machen wir bei mir zu Hause, da haben wir genug Platz und es entstehen keine Kosten. Moza organisiert dann jeweils, dass wir zwischendurch etwas zu essen haben. Das finanzieren wir. Und auch die Fahrtkosten.

Mein erstes großes Erlebnis auf Sansibar hatte ich 1984, als ein alter Mann in traditioneller Kleidung auf mich zu kam und auf Swahili begrüßte. Ich antwortete ihm und er grüßte mich ein zweites, drittes und viertes Mal. Ich konnte jedes Mal antworten und etwas hinzufüge und am Ende rief er „sie spricht wirklich Swahili!“. Die Begrüßung ist nicht so einsilbig wie hier, sondern ein Ritual, man hat Zeit füreinander und man fragt, wie es einem wirklich geht. Alles geht etwas langsamer. Die Kultur hat sich seit 1984, in den vergangenen 40 Jahren, sehr verändert. Der Islam ist enger und strenger geworden. Pemba ist sehr muslimisch geprägt, 99% der Bevölkerung gehört dem Islam an. Aber tolerant und die Menschen sind freundlich und offen und freuen sich, wenn man die Sprache spricht. Wenn man krank ist, wird man besucht. Ich fühle mich dort auch zu Hause und habe über die Zeit auch Freundschaften geknüpft.

Du musst Swahili lernen. Auf Pemba sprechen die Menschen nichts anderes. Dann bist du Teil der Gesellschaft, weil Sprache öffnet. Wenn du keine gemeinsame Sprache hast, ist es kein echter Austausch. Wenn du eine Sprache schlecht sprichst wirkt es unhöflich. Man kennt die Feinheiten nicht. Auf Swahili ist viel in der Passivform, das bedeutet, alles ist etwas distanzierter und nicht so direkt. Wenn man mit jemandem kommuniziert muss man sehen wie diese Kommunikation funktioniert. Vieles wird gar nicht gesagt, liegt quasi zwischen den Zeilen, und das ist sehr spannend.

Transkript von Helen Paul