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Kapitel 01
Kapitel 02
Kapitel 03
Kapitel 04
Kapitel 05
Tansania
Luca Dorina Arnold

Transkript

Mein Name ist Arnold Fuchs, ich bin Geologe und war schon als Junge in Gedanken immer in der Welt unterwegs. Ich war natürlich in der DDR sehr beengt, aber schon als Junge korrespondierte ich während der Christenlehre mit Christen aus Papua-Neuguinea, das war für die DDR ungewöhnlich, zeigte aber die Sehnsucht, die ich hatte. Als die Wende kam und diese Möglichkeiten sich auftaten war ich sowas von begeistert. Nach der ersten reise nach Tansania, als die Partnerschaft sich entwickelte hörte ich dann den Spruch: Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder man fährt dort nie wieder hin oder man wird krank und bekommt den Afrika-Virus und muss immer wieder hinfahren. Und das letztere trat bei mir ein, das war ja schon vorprogrammiert. Und in Güstrow gehöre ich zur Domgemeinde und wir haben einen Tansaniakreis und da helfe ich bei den Projekten.

Uns ist wichtig, dass wir eine Partnerschaft mit Mtii haben und zu dieser Partnerschaft hinzu kommen Projekte. Partnerschaft ist so etwas wie Liebe zwischen zwei Menschen und die Projekte in dieser Partnerschaft sind die Küsse. Ich bin der Projektverantwortliche, ich bin also für die Küsse verantwortlich. Es ist in einer Partnerschaft wichtig, dass man sich immer gerne hat, aber man muss sich nicht immer küssen. Dorina sagte schon, 2007 ging es los und bei der ersten oder zweiten Reise, die wir dorthin gemacht haben um uns und die unterschiedlichen Kulturkreise kennenzulernen kamen wir auf die Projekte zu sprechen. Und da wird es ganz konkret. Wir saßen zusammen in einer großen Runde mit dem dortigen Kirchengemeinderat und wollten über Projekte sprechen. Ich dachte in Klischees, jetzt kommt was mit Wasser oder Schule. Die Partner diskutierten mit uns und sagten dann, sie müssen eine Auszeit nehmen, gingen raus und kamen wieder rein. Dann sagten sie: Es fällt uns schwer darüber zu sprechen, aber wir haben ein großes Problem in unserer Gemeinde, wir haben so viele Aids-Waisen. Wir haben eine Aids-Problematik. Das ist schwer für uns darüber zu sprechen. Aber wir haben vor, dass diese Waisenkinder, die hauptsächlich mit den Großeltern zusammenleben, weil die mittlere Generation weggestorben ist, dass sie nicht in Waisenhäuser oder in die Slums abwandern, sondern dass sie bei uns bleiben. Wir wollen die Großmütter und -väter unterstützen, damit das so sein kann. Die Kinder brauchen Schulgeld, sie brauchen Nahrung und Medizin, eine Ausbildung. Sie erklärten was sie vor haben, aber nicht die Kraft haben, das schnell zu machen.

Das war für beide Seiten ein großes Vertrauen, das erst mal notwendig war. Wo man sich tief in die Augen geschaut hat, lange geredet und geschwiegen hat. Ich war selber dort unterwegs, was mich sehr berührt hat. Ich bin durch die Hütten gegangen, wo drei Jungs allein wohnten und der Älteste mit 15 schon in der Verantwortung war, wo die Großmütter mit Enkeln lebte. Das waren Augenblicke, die ich auch nicht fotografiert habe, sondern für mich abgespeichert habe. Das zu bewältigen war eine große Herausforderung. Das Projekt hatte zwei Säulen. Zum einen haben wir vier Fieldworker ausbilden lassen, das waren drei Frauen und ein Mann. Die haben in der Nähe des Kilimandscharo eine spezielle Ausbildung bekommen, die sich mit der Aids-Problematik beschäftigt. Sie sind dann ein oder zwei Mal in der Woche durch alle Hütten gegangen und haben geschaut, was notwendig ist. Sie haben die individuelle Unterstützung für die Aids-Waisen gesteuert. Der eine braucht Medizin, der andere eine neue Schuluniform, beim dritten fehlt es an Nahrung, weil die Ernte schlecht ausgefallen ist. Daneben haben die Fieldworker auch seelsorgerische Arbeit geleistet. Haben mit den Kindern auch gespielt und sie betreut. Das ist nicht ganz unwichtig. Für mich war erstaunlich, dass auch ein Mann dabei war und wie wichtig er auch für Jungs war. Er hatte eine ganz wichtige Funktion, nicht nur die Frauen. Ich war sehr positiv überrascht. Und dann kommen sie in die Pubertät, beenden die Schule und was kommt dann? Da haben wir eine Schneider- und eine Tischlerwerkstatt eingerichtet, wo sie eine Ausbildung machen konnten. Damit sie gewisse Fertigkeiten hatten, mit denen sie sich später ernähren konnten. Das lief gut, bis die Waisenzahlen sanken und die Infrastruktur überflüssig wurde. Das war ein Projekt der lutherischen Gemeinde, aber es war nicht auf die Christen begrenzt.

Das war für mich der Schlüssel für ein gelingendes Projekt. Nicht, dass wir kommen und sagen hier sind Solarkocher, und das sind Dinge, die ihr jetzt machen müsst. Sondern sie müssen die Analyse machen und sagen, was die Schwerpunkte sind, was Priorität hat, wie man das umsetzen könnte und wie wir dabei helfen können. So haben wir daraus ein gefördertes Projekt gemacht. So ist es mit der Projektarbeit auch weitergegangen. Wir haben Trompeten für den Posaunenchor dort hingeschafft, gebrauchte Glocken, auch neue Glocken in die Untergemeinden gebracht. Es war immer wichtig, dass die Gemeinde vor Ort sich auch beteiligt. Sie haben einen großen Anteil, sowohl bei den Aids-Waisen, die dort unterstützt wurden bis hin zu den Glocken. Wir haben die Glocken gebracht, aber sie haben sehr massive Glockentürme gebaut. Unser größtes Projekt war das Wasserprojekt. Das war eine große Nummer, in diese Streusiedlung Wasserleitungen zu legen, die über 20 Kilometer lang sind und verschiedene Zapfstellen haben. Es gibt dort Wasser, wir mussten nicht bohren, aber es gibt kein Wasser in den Siedlungen. Das Problem war, Frauen und Kinder mussten das Wasser holen und den Männern ging es gut. Auch diese sozialen und gesellschaftspolitischen Hintergründe waren wichtig. An dem Wasserprojekt war die ganze Gemeinde beteiligt. Wir haben eine Partnerschaft mit der lutherischen Gemeinde, aber ganze Gemeinde heißt, dass auch die muslimischen Bürger:innen – etwa ein Drittel – und die mit Ethnischen Religionen leben. Das ist auch ein Drittel. Alle waren daran beteiligt und auch bis zur Moschee wurde eine Leitung gelegt. Die Leitung wurde in die Erde gelegt, damit man sie nicht anpicken kann. Dieses Wasserprojekt haben wir 2012 abgeschlossen und das funktioniert bis heute. Das war technisch sehr anspruchsvoll, weil es ohne Strom läuft. Das Wasser wird gravitativ verteilt. Eine geniale Sache, die von tansanischen Ingenieuren entwickelt und begleitet wurde. Wir haben nur die Unterstützung gegeben. Aktuell unterstützen wir ein Kindergartenprojekt, das vielleicht von der Historie her interessant ist. Mit dem Waisenprojekt von 2007 hatten wir nach einigen Jahren ein Phänomen, dass die Waisenkinder nicht mehr da waren. Wir hatten erst 400 Waisenkinder und dann waren es nur noch ein Dutzend. Mit unserem Projekt sind die Kinder von einst nicht nur in der Gemeinde geblieben, sondern es verschwand auch die Aids-Problematik an sich. Sie sind erwachsen und das Problem bestand nicht weiter. Ein schöner Effekt mit dem Nachteil, dass das was wir aufgebaut hatten nicht mehr gebraucht wurde. Wir haben wieder diskutiert und sie meinten, wir haben bei euch gesehen, dass ihr Kinder- und Jugendarbeit in der Gemeinde habt. Das kennen wir nicht. Bei uns beginnt kirchliches Leben mit dem Erwachsensein. Das würden wir auch gerne entwickeln und mit einem Kindergarten beginnen. Wir haben den Regenbogen-Kindergarten in Güstrow gesehen. So haben wir das gemeinsam in die Hand genommen und der dortige Regenbogen-Kindergarten hat 40 Kinder. Wir haben die Ausbildung von zwei Kindergärtnerinnen unterstützt und eine Montessori-Ausbildung bezahlt. Das wird gut angenommen und entwickelt sich gut weiter. Das war das Anliegen unseres nächsten geplanten Besuches, dass wir diskutieren, wie es weitergehen soll mit der Entwicklung der Jugendarbeit. Was gibt es hier, was kann man übersetzen. So dass die Besuche auch nicht nur Urlaubsreisen sind, da geht es um partnerschaftlichen Austausch in der Sache. Dass man den anderen Kulturkreis kennenlernt und Verständnis füreinander hat, aber auch, dass man sich gegenseitig hilft.

Wichtig ist, dass es keine Einbahnstraße ist. Dass man nur hinfährt, um Projekte umzusetzen. Sondern dass die Kulturen sich gegenseitig beschenken. Wir sind als Deutsche immer schnell dabei alles aufzurechnen. Ihr habt ja das Geld, ihr bezahlt die Tickets. Aber was wir dort bekommen, das ist teilweise mit Geld nicht darstellbar. Eine Lebenshaltung zu erleben in diesem Kulturkreis, der uns so fremd ist, uns aber so viel schenkt für das eigene Leben. Dass man einen anderen Maßstab für die Dinge bekommt und andere Prioritäten setzt für sein Leben, das ist schon ein großes Geschenk dieser Partnerschaft. Aber diese materielle Spannung schmerzt auch beide Seiten. Es ist keine komfortable Situation. Aber sie ist nicht zu ändern, also muss man offen damit umgehen.

Sie sehen so klar durch, wie was funktioniert. Sie tragen es nur anders vor. Dabei lernt man eine Menge. Das ist zum Schmunzeln, aber auch gefährlich, was Missverständnisse angeht. Oh Mann! Wenn man einen falschen Satz sagt, bei dem wir uns nichts denken, kann das sehr verletzend wirken und daneben gehen. Das passiert auch manchmal und tut mir sehr leid. Es sind so verschiedene Kulturen, es ist nicht nur das Materielle. Aber deswegen sind gegenseitige Besuche auch so wichtig. Immer wieder zu sagen: Wir haben Vertrauen zu euch. Auch bei den Projekten. Wir wissen ja wie Projekte abgerechnet werden müssen. Das verstehen sie oft nicht. Dort gilt noch der Handschlag, so wie es früher bei uns auch war. Das alles fein säuberlich aufgeschrieben sein muss, verstehen sie als Misstrauen. Es ist schwierig das für unsere Stiftungen hier zu übersetzen. Es ist schon schwierig, wenn man immer wieder nachhaken muss, um die Fragen der Geldgeber beantworten zu können. „Wieso misstraust du mir?“ Das ist bei unserer Partnerschaft – manche sagen Blauäugigkeit – ich sage, das ist das Vertrauen das ich habe und ohne das für mich die Partnerschaft nicht funktioniert. Wir sind da bisher nicht enttäuscht worden. Es war nicht so, dass sich der Pastor ein Auto gekauft hätte oder so. So etwas haben wir von anderen gehört, aber es ist bei uns nicht passiert. Es gab auch öfter Pastorenwechsel und dann gab es auch Funkstille. Wir fragten uns, was nun los ist. Am Ende war es ihnen peinlich uns zu sagen, dass der Pastor abhanden gekommen ist. Und sie haben als Gemeindeälteste die Gemeinde sehr verantwortlich weitergeführt. Sie haben es nur nicht mitgeteilt. Keine Nachricht ist eine gute Nachricht. Das mussten wir erst mal verstehen. Wir bewegen uns manchmal auf ziemlichem Glatteis was die Missverständnisse angeht. Erst versteht die eine Seite etwas falsch und dann die andere und dann leidet man auch. Und es dauert dann ein bisschen, bis man alles wieder sortiert hat.

Transkript von Arnold Fuchs