Kapitel 01
Kapitel 02
Kapitel 03
Kapitel 04
Kapitel 05
Kapitel 06
Transkript
Ich bin Lilly, Schülerin des Fritz Grewe Gymnasiums aus Malchin. Ende Februar letzten Jahres (2023) haben wir einen Austausch mit Schülern aus Südafrika gemacht. In dieser Zeit stand vorrangig das Thema Klimawandel. Aber ich muss sagen, für mich war eher das Besondere, Menschen vom anderen Ende der Welt kennenzulernen und zu sehen, wie gleich man doch ist.
Aber genauso, dass sie ein anderes Schicksal teilweise haben als wir. Sie sind mit anderen Dingen konfrontiert, haben teilweise Eltern verloren, durch Drogen, durch Kriminalität oder auch durch Krankheiten, weil die Infrastruktur fehlt. Und das darf man einfach nicht vergessen.
Die Südafrikaner haben sich vorher auch Gedanken gemacht: was sie den Deutschen zeigen wollen. Ein Schüler sagte, dass er möchte, dass wir verstehen, warum sie in shacks leben, also in den Blechhütten. Das haben wir auch aufgearbeitet und die Geschichte war uns allen nicht bewusst. Und es war sehr, sehr interessant mitzukriegen, wie sie vor allem auch in der Corona-Zeit total gebeutelt waren, dass sie sich gar nicht so abschotten konnten und gar nicht so informiert waren wie wir. Also wir haben uns viel unterhalten. Und es war gar nicht immer der Klimawandel unser Thema, sondern ganz oft einfach das Leben: Wie wir in die Schule gehen, was wir erleben und wie wir mit Freunden rausgehen.
Aber man hat das Ganze erst richtig reflektiert, als wir wieder zu Hause waren. Wir sind mit 30 Grad in den Flieger gestiegen und kamen mit Minusgraden hier zu Hause an. Das hat mein Körper nicht ganz so gut verkraftet, und danach hat man erst begonnen, diese ganzen Einflüsse zu verarbeiten und einfach noch mal bewusster damit umzugehen, dass man selbst sehr, sehr privilegiert lebt. Dass man ein Dach über dem Kopf hat, und eine Tür zu schließen kann. Ein Junge aus dem Projekt hat auch erzählt, dass sie acht Hunde zu Hause haben, die ausschließlich dafür da sind, um sie zu beschützen.
In Südafrika haben wir einen Permakulturgarten angelegt mit der Firma The Sprightly Seed. Die haben uns ein bisschen an das Thema herangeführt. Und dann haben wir in der Rosendaal High School diesen Permakulturgarten gemeinsam gebaut. Und für mich war dort das Schönste als wir fertig waren und es nicht mehr so fachlich war, haben wir Steine bemalt und jedes Beet hat eine Nummer bekommen. Und in der Pause kamen alle Schüler der Schule dazu und haben mit uns zusammen diese Steine mit Farbe angemalt.
Wir haben ja diesen Climate Change Song aufgenommen. Und dabei sind wir noch mal extremer an dieses Thema Klimawandel rangekommen und haben da noch mal anders drüber nachgedacht. Wir haben uns dafür alle im Hostel bei uns getroffen und hatten dort einen kleinen Workshop mit Jabulani. Der hat uns erst ein bisschen seiner Musik vorgespielt und dann ein bisschen geteached. Er hat sowohl die südafrikanischen Jugendlichen als auch uns gebeten, etwas auszuarbeiten. Ich fand zum Beispiel eine Textzeile sehr interessant: „The gardens of our hearts need to change“. Ich fand das sehr passend zu dem Permakulturgarten, und dass „Change“ einmal auf den Klimawandel bezogen und einmal auf Rassismus beispielsweise bezogen, heißt, dass sich einfach noch einiges verändern muss. Wir hatten viele verschiedene Zeilen, die wir einfach zusammen geschrieben hatten und jeder hatte so seinen Teil. Einige von den Südafrikanern haben dann noch kleine Abschnitte gerappt und ich fand auch diesen Satz „Maybe we could make it change, we can fight“ sehr, sehr schön, weil das noch mal diesen Zusammenhalt gezeigt hat. Wir können was verändern, aber das halt nur zusammen. Wir gemeinsam. Und deswegen fand ich dieses Projekt sehr schön. Es hat wirklich gezeigt, dass es egal ist, wo man lebt. Genauso wie diese Zeile „Let us live in harmony“. So einfach. Wieso gibt es Kriege? Das alles zu hinterfragen. Wir könnten alle so glücklich zusammenleben und das hat viele von uns nachdenken lassen. Dieses Songwriting hat viel dazu beigetragen, dass wir alle nochmal viel reflektierter herangegangen sind. Dieser Song hat uns alle noch mal ein bisschen zusammenrücken lassen.
Und dann, knappe sechs Monate später, kamen die Südafrikaner zu uns. Und in der Zeit haben wir hier zum Beispiel ein Moor wiederbewässert. Und klar war der große Punkt erstmal das Moor wieder zu bewässern, aber für mich stand im Vordergrund, dass wir alle zusammen gearbeitet haben und was zusammen geschaffen haben. Es hat sich wie eine Produktionskette gebildet und wir haben gemeinsam diesen Staudamm gebaut und haben einfach was zusammen gemacht.
In Deutschland hatten wir eine Erfahrung, die ich sehr extrem fand: Als wir am Bahnhof umsteigen wollten, stand da jemand, der wie ein Hahn auf und ab gelaufen ist und immer so komisch geguckt hat. Er hat auf den Boden gespuckt, hat sich sehr unangenehm verhalten. Man hat ihm schon angesehen, dass er wirklich rechts ist. Sabina hat das im selben Moment gemerkt wie ich und wir haben uns ein bisschen vor die Südafrikaner gestellt. Er hat total rassistische Sachen immer wieder gemurmelt und man hat wirklich gemerkt: Der hat jetzt ein totales Problem damit, dass dort Schwarze Menschen stehen. Der ist damit gar nicht klar gekommen und so eine Erfahrung machen wir sonst im Alltag nicht. Aber genauso hat man auch total tolerante Menschen erlebt. Wir waren z.B. bei meiner Uroma und bei meinen Großeltern und meine Uroma hat sich total gefreut. Man denkt oft, das ist die ältere Generation, die so ist, aber das ist gar nicht so! Den Mann am Bahnhof würde ich auf circa 24 schätzen. Es wird immer gesagt „Ja, die Alten, die Alten“, aber es sind nicht immer die Alten. Das sieht man ja jetzt auch. In Neubrandenburg im H&M hat uns ein Mann immer ganz komisch angeguckt hat, zwar nichts gesagt, aber man hat gemerkt, dass er skeptisch geschaut und die Augenbrauen zusammengezogen hat. Und sowas hab ich alleine sonst nicht erlebt. Aber diese Situation am Bahnhof hat gezeigt, dass das wirklich permanent präsent ist, nur dass wir es nicht permanent spüren. Und es hat mir noch mal gezeigt, dass man seinen Mund nicht halten darf, dass man was dazu sagen muss und das nicht akzeptieren darf und nicht sagen kann, man muss die Menschen so nehmen, wie sie sind. Nein, muss man nicht. Und das wurde durch den Austausch, also vor allem die Zeit hier noch mal ganz deutlich. Dadurch, dass wir uns vor allem an Touristenorten in Südafrika bewegt haben, wo viele Europäer waren, war es da für uns nicht so präsent. Na klar hat man das ein bisschen in den Townships bemerkt, aber das war's. Also das war für uns da nicht so extrem, weil Menschen mit einer helleren Hautfarbe einfach immer als Privilegierter und vor allem auch als sauberer angesehen wurden. Das ist, finde ich, auch ein Punkt und ein Denkmuster, das die Menschen einfach loswerden müssen, finde ich.